Das Jahr 2022 war nicht unbedingt das, was man ein exzellentes Weinjahr nennen würde. Einem vergleichsweise milden Winter und einem sonnigen Frühling mit schneller Blüte folgt Ende Juni eine erste von Gewittern begleitete Hitzewelle, die den Anfang eines heißen Sommers ohne nennenswerte Niederschläge bis Mitte August einläutete. Die Folge war ein Wachstumshemmnis mit ersten verwelkten Beeren. Spitzenwerte von über 40° Celsius machten insbesondere jüngeren Weinbergen zu schaffen. 
Mitte August kam es dann zu ersten Regenfällen  und einer weitestgehend harmonischen Reife in der Folge, die zum Erntebeginn am 07. September führte. Die Erträge waren um ein Viertel geringer (22 hl/ha) aber dafür waren die Beeren umso konzentrierter mit einen guten Tanninstruktur. Der unter kontrastreichen Vorzeichen entstandene Jahrgang 2022 verspricht kraftvolle Weine mit präziser Struktur, bei denen die Harmonie mehr denn je im Vordergrund steht.
Auch der Zweitwein von Château Palmer ist überaus gut gelungen und hat nach 2020 wieder beste Bewertungen erzielt. Ich empfehle selten Zweitweine, aber hier mache ich eine Ausnahme. 
Eine sehr schöne intensive Farbe (granat-purpur) mit üppigen Reflexen. In der Nase zeigt sich ein Zusammenspiel von reifen Pflaumen, schwarzen Johannisbeeren, Heidelbeeren (die intensiven aus dem Wald) und alles unterlegt mit dezenten Lakritz- und Kakaonoten. Vielleicht noch ein paar Röstaromen im Hintergrund. Am Gaumen unglaublich vollmundig mit samtigen Tanninen und einer cremigen Textur. Dabei ist er keinesfalls langweilig. Eine lebendige Säure gepaart mit einer schönen Mineraltität sorgen für einen wunderbar langen Abgang. 
 
	Das sagt Vert de Vin (95,5 Punkte):
	"Die Nase ist schön, elegant, üppig und vollmundig. Man findet Noten von Veilchen, saftigen Cassis und etwas reiferen Heidelbeeren, verbunden mit einem Hauch von gerösteten schwarzen und roten Beeren sowie einem Anklang von Pfeffer, Jod und einer fast sortentypischen, ja sogar saftigen Note im Hintergrund. Es gibt eine schöne Komplexität. Am Gaumen ist er fruchtig, elegant und bietet Saftigkeit, eine säuerliche Struktur, Mineralität, eine schöne Üppigkeit, Spannung, Finesse, Präzision, eine schöne Zartheit, eine vielschichtige Seite, Cremigkeit sowie eine schöne Luftigkeit. Am Gaumen entfaltet dieser Wein Noten von saftigen Brombeeren, leuchtend violetten Pflaumen und leichteren Noten von cremigen Beeren, verbunden mit Anklängen von Röstnoten, hellem Tabak, rassiger Mineralität, einer subtilen, fast graphitartigen Note sowie feinen Noten von Kampfer, frischen Wildblumen, Schokolade, Bergamotte und Kaffee (im Hintergrund). Die Tannine sind geschmeidig und rassig. Dieser Wein hat eine schöne Finesse, Würze und eine gewisse Weichheit. Im Abgang/Nachhall zeigt sich eine dezente Salzigkeit. "